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Rechtliche Auseinandersetzung um vorübergehende Rentenreduzierung und Familienversicherung

Fachbeitrag im Sozialrecht

Rechtsstreit um Rentenreduzierung und Familienversicherung: Analyse und Entscheidungen

Die vorübergehende Reduktion der vollen Rente auf eine Teilrente, um den Eintritt in die Familienversicherung eines privat versicherten Rentners zu ermöglichen, steht im Einklang mit den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches (SGB) V § 6, § 10; SGB VI § 42; SGB I § 46. Diese zeitlich begrenzte Anpassung, mit dem Ziel, die Einkommensgrenze gemäß § 10 Abs.1 S.1 Nr.5 SGB V zu unterschreiten und eine Aufnahme in die Familienversicherung des Ehepartners zu erreichen, ist eine zulässige Handlungsoption.

Sachverhalt:

Ein Streit entstand zwischen den Parteien über die Ableitung der Familienversicherung für den Kläger (1) durch die Klägerin (2) ab dem 1. Februar 2022 und die damit verbundene freiwillige Krankenversicherung ab dem 1. Mai 2022 aufgrund einer erhöhten Rentenzahlung. Der erste Kläger ist mit der zweiten Klägerin verheiratet und bezieht Altersrente, während seine Frau seit dem 1. Februar gesetzlich versichert ist, im Gegensatz zum privat versicherten ersten Kläger bis Ende Januar desselben Jahres. Mit einem Bescheid im Dezember wird das Regelaltersrenteneinkommen des ersten Klägers ab Februar aufgrund der Teilrente neu berechnet und monatlich €458,16 plus einen Zuschuss zur Krankenkassenbeitragszahlung von €36,43 gewährt.

Am 11. Januar beantragt er die Feststellung der Familienversicherung über seine Ehefrau ab dem 1. Februar unter Verweis auf seine gesetzliche Rente als einziges Einkommen. Die Beklagte sendet ihm am 31. März eine „Bescheinigung“ über die gewünschte Familienversicherung. Ab Mai erhält er wieder die ursprüngliche Altersrente von monatlich €954,50, und die Beklagte storniert mit einem an die zweite Klägerin gerichteten Bescheid vom 1. Dezember ihre Familienversicherung ihres Mannes zum 1. Februar. Dies wird damit begründet, dass das Gesamteinkommenslimit von monatlich €470 eingehalten werden muss. Die Beklagte erfährt später, dass der Kläger nur von Februar bis April eine Teilrente und ab Mai wieder eine volle Altersrente bezieht. Der erste Kläger widerspricht dem Bescheid und argumentiert, dass Versicherte beim Wahlrecht zwischen Voll- und Teilrente ein unbedingtes Gestaltungsrecht ohne Vorbehalt haben.

Das Inanspruchnehmen einer Teilrente ist gemäß §46 SGB I kein Verzicht und kann daher auch geltend gemacht werden, wenn dies zu Lasten Dritter geht, wie im vorliegenden Fall bei der Beklagten. Die Flexibilität bei den Teilrenten ist ein zentraler Bestandteil des Flexirentengesetzes (BGBl. 2016 I 2838). Der Rentenbescheid hat dabei Bindungswirkungen für Dritte. Bei Prognosen über das Einkommen des Klägers muss nur die Teilrente berücksichtigt werden, während die Verhältnisse vor deren Bezug irrelevant sind. Die Rentenerhöhung bedingt eine Zäsur und erfordert eine neue Prognose, sodass ab dem 1. Mai anstelle der Familienversicherung die obligatorische Anschlussversicherung gemäß §188 Abs.4 SGB V tritt.

Der Widerspruch wird mit einem Widerspruchsbescheid vom 20. Februar zurückgewiesen. Der erste Kläger ist als privat krankenversicherter 77-jähriger Altersrentner versicherungsfrei nach §6 Abs.3a SGB V. Daher ist §10 Abs.1 Nr.3 SGB V anwendbar, was zur Folge hat, dass er von der kostenfreien Familienversicherung ausgeschlossen wird. Die vorübergehende dreimonatige Reduzierung des Rentenbezugs des Klägers soll kurzfristig bewirken, dass die relevante Einkommensgrenze unterschritten wird. Der Verzicht auf Sozialleistungen ist gemäß §46 S2 SGB I unwirksam.

Es entspricht weder dem Interesse der Versichertengemeinschaft noch dem des Gesetzgebers, Personen wieder in den Schutz der gesetzlichen Krankenkassen zu stellen, wenn sie sich in jüngeren Jahren von dieser Solidargemeinschaft abgewandt haben. Dagegen legen beide Kläger Beschwerde ein, woraufhin das Sozialgericht diese mit Gerichtsbescheid abweist, und die Kläger daraufhin Berufung einlegen.

Entscheidung:

Das Landessozialgericht gibt den Forderungen der Kläger statt und hebt die Entscheidung der ersten Instanz auf. Es führt aus, dass der erste Kläger weder versicherungsfrei noch von der Versicherungspflicht befreit war. Eine Versicherungsfreiheit nach §6 Abs.3a SGB V war nicht gegeben, entgegen der Annahme des Beklagten. Das prognostische Gesamteinkommen des ersten Klägers steht einer Familienversicherung nicht im Wege. Nach dem gebotenen vorausschauenden Blickwinkel können nur Änderungen berücksichtigt werden, die mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sind. Die Prognose erfordert eine ausreichende Wissensbasis. Zu berücksichtigen sind neben den Einkommenssteuerbescheiden vor allem die Angaben des Mitglieds und seiner familienversicherten Angehörigen. Der Beklagten war nur bekannt durch den Fragebogen und den beigefügten Rentenbescheid, dass der erste Kläger ab Februar eine Teilrente von €458,16 erhalten wird. Die Beklagte hatte keine Kenntnis über eine zukünftige Aufstockung der Rente und hatte auch den ersten Kläger diesbezüglich nicht gefragt. Das LSG lässt offen, ob es auch ohne entsprechende Nachfrage eine Offenbarungsverpflicht gibt.

Da das Wahlrecht gemäß §42 Abs.1 SGB VI keinen Verzicht im Sinne des §46 SGB I darstellt, führt die Belastung des Beklagten folglich nicht zur Ungültigkeit. Es ist auch unwichtig, ob die Kläger bereits bei Antragstellung planten, ihre Rente wieder aufzustocken, weil sie dazu berechtigt

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